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Die Saga von Projekt Jengo: Wie Cloudflare sich gegen einen Patenttroll zur Wehr setzte – und gewann!

04.11.2019

Lesezeit: 13 Min.

Erinnern Sie sich an das Jahr 2016? Pokemon Go war total angesagt, Prince hat uns verlassen und in Großbritannien und den USA gab es überraschende Wahlergebnisse. Und im Jahr 2016 war Blackbird Technologies berüchtigt in der Welt der Patentstreitigkeiten. Als spezialisierte Anwaltskanzlei gehörte Blackbird zu den Top Ten der aktivsten Patenttrolle. In nur einem Jahr strengte sie Prozesse gegen mehr als 50 verschiedene Beklagte an.

Im Oktober 2016 wollte Blackbird noch mehr Patente für das eigene Portfolio erwerben und stöberte ein unglaublich breit angelegtes Softwarepatent mit dem mehrdeutigen Titel „PROVIDING AN INTERNET THIRD PARTY DATA CHANNEL“ auf („Bereitstellung eines Drittanbieter-Datenkanals für das Internet“) auf. Die Kanzlei kaufte dem Besitzer dieses Patent ab – für 1 US-Dollar plus „andere gute und wertvolle Gegenleistungen“. Wenig später, im März 2017, beschloss Blackbird, dieses Patent gegen Cloudflare durchzusetzen.

Wie wir schon einmal beschrieben haben, nutzen Patenttrolle problematische Anreizstrukturen aus. Durch diese Strukturen können sie vage oder abstrakte Patente nehmen, ohne die Absicht zu haben, diese weiterzuentwickeln, und versuchen, sie so umfassend wie möglich durchzusetzen. Diesen Trollen geht es nämlich nur darum, Lizenzgebühren oder Vergleichszahlungen von Unternehmen zu kassieren, die ein Geschäft aufbauen, nützliche Produkte herstellen und gute Arbeitsplätze schaffen möchten. Unternehmen, die mit solchen Ansprüchen konfrontiert werden, schließen in der Regel lieber einen Vergleich und zahlen Zehn- oder Hunderttausende von Dollar, weil das schneller und billiger ist als jahrelange Rechtsstreitigkeiten und Millionen von Dollar an Anwaltskosten.

Hier möchten wir berichten, welche Anstrengungen wir unternommen haben, diese asymmetrischen Anreizstrukturen zu ändern.

Die Strategie

Nachdem Blackbird uns verklagt hatte, beschlossen wir, nicht klein beizugeben. Wir würden vielmehr alles in unserer Macht Stehende tun, um die Anreizstrukturen auf den Kopf zu stellen, damit Patenttrolle es sich in Zukunft zweimal überlegen, bevor sie versuchen, das System auszunutzen. Wir riefen das Projekt Jengo ins Leben, um die wirtschaftliche Asymmetrie bei einem derartigen Rechtsstreit zu beseitigen. In unserem ersten Blogbeitrag erläuterten wir unsere Möglichkeiten, Waffengleichheit herzustellen: (i) wir konnten uns energisch gegen die Patentklage verteidigen, anstatt klein beizugeben und eine Lizenzgebühr zu zahlen oder einen Vergleich zu akzeptieren; (ii) wir konnten Prämien für Einreichungen zum Stand der Technik („Prior Art“) anbieten, mit denen die von Blackbird aufgebotenen Patente angefechtet werden können (nicht nur das, das gegen Cloudflare geltend gemacht wird); und (iii) wir konnten die zuständigen Anwaltskammern bitten, die von uns beanstandeten Verstöße gegen den anwaltlichen Verhaltenskodex durch Blackbird zu untersuchen.

Wie ist es gelaufen?

Der Rechtsstreit

Wie versprochen, haben wir den Rechtsstreit entschlossen geführt. Und wie in einem Blogbeitrag Anfang dieses Jahres beschrieben, war unser Sieg so vollständig, wie er es in einem Rechtsstreit vor einem Bundesgericht mit Haupt- und Berufungsverfahren nur sein konnte. Anfang 2018 wies das Bezirksgericht für den nördlichen Bezirk von Kalifornien als Reaktion auf einen sogenannten Alice-Antrag (benannt nach einem Prozess gegen die Firma Alice) die von Blackbird gegen uns geführte Klage ab. In einem lediglich zwei Seiten umfassenden Beschluss befand Richter Vince Chhabria, dass „abstrakte Ideen nicht patentierbar sind“ und Blackbird durch die Geltendmachung des Patents „versucht, die abstrakte Idee der Überwachung eines bereits vorhandenen Datenstroms zwischen einem Server und einem Client zu monopolisieren“. Der Fall wurde praktisch abgewiesen, bevor er überhaupt begonnen hatte, weil das Gericht das Blackbird-Patent für ungültig erklärte.

Blackbird legte beim Berufungsgericht des Federal Circuit Berufung gegen diese Entscheidung ein. Dort wurde die Beschwerde nur drei Tage nach der Anhörung für das Berufungsverfahren ohne viel Federlesens abgewiesen und die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Nach diesem Urteil haben wir gefeiert.

Wie in unserem früheren Blogbeitrag berichtet, hatten wir zwar den Rechtsstreit so schnell und einfach wie möglich gewonnen, aber der Prozess beim Bundesgericht dauerte fast zwei Jahre, umfasste insgesamt über 1.500 Seiten Schriftsätze und führte zu erheblichen Anwaltskosten. Blackbird hätte bis zum Sommer dieses Jahres noch Revision der Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof der USA beantragen können. Da dies nicht geschehen ist, ist der Fall nun offiziell abgeschlossen. Wie wir von Anfang an gesagt haben, wollten wir Projekt Jengo nur betreiben, solange dieser Fall noch aktuell war.

Auch wenn wir vor Gericht eindeutig gewonnen haben, reicht das allein nicht aus, um die Anreizstrukturen rund um Prozesse mit Patenttrollen zu verändern. Patenttrolle versuchen es immer wieder. Sie haben keinen nennenswerten eigenen Geschäftsbetrieb, sodass die Kosten für Rechtsstreitigkeiten und Ermittlungen für sie viel niedriger ausfallen.

Prämienangebot für Einreichungen zum Stand der Technik („Prior Art“), um Blackbird-Patente anzufechten

Stand der Technik („Prior Art“)

Im Rahmen unserer Strategie gegen Blackbird bezogen wir unsere Community ein und baten um Hilfe dabei, Nachweise für den Stand der Technik („Prior Art“) zu finden, mit denen wir alle Patente von Blackbird für ungültig erklären konnten. Eines der wirksamsten juristischen Argumente gegen die Gültigkeit eines Patents ist, dass die zum Patent angemeldete Erfindung bereits an anderer Stelle bekannt oder veröffentlicht war („Stand der Technik“). Eine Sammlung von „Stand der Technik“-Nachweisen zu allen Blackbird-Patenten könnte von jedem zur Verteidigung verwendet werden, der mit einer Klage von Blackbird konfrontiert ist. Gäbe es eine organisierte und allgemein zugängliche Bibliothek des Stands der Technik, dann würde das Blackbird-Patentportfolio an Wert verlieren. Ein derartiges Risiko für das Patentportfolio würde die Anreizstrukturen in eine andere Richtung verschieben. Die durch das US-Rechtssystem möglichen finanziellen Anreize mögen zwar das Unwesen der Patenttrolle fördern, aber wir waren überzeugt, dass unsere Geheimwaffe dagegen eine sehr intelligente, sehr motivierte Community war, die die erpresserischen Aktivitäten von Patenttrollen verabscheut und sich wehren wollte.

Und wir hatten recht damit! Wir setzten eine Prämie für Nachweise zum Stand der Technik aus: Die Einreichung von Nachweisen zum Stand der Technik, die sich auf das von Blackbird gegen Cloudflare geltend gemachte Patent oder irgendein anderes Patent von Blackbird bezogen, würde mit einer Geldprämie belohnt werden.

Wir erhielten Hunderte von Einreichungen zu den verschiedenen Blackbird-Patenten. Wir waren sehr beeindruckt von der Qualität dieser Einsendungen und sind überzeugt, dass sie die Gültigkeit vieler dieser Patente in Frage stellen. Alle relevanten Einreichungen, die wir gesammelt haben, finden Sie hier, sortiert nach Patentnummer, und wir hoffen, dass sie von anderen Parteien, die sich mit einer Blackbird-Klage auseinandersetzen müssen, gut genutzt werden können. Darüber hinaus haben wir die Nachweise zum Stand der Technik aus der Sammlung bereits an eine Reihe von Unternehmen und Organisationen weitergeleitet, die sich an uns wandten, weil sie von Blackbird verklagt worden waren.

Eine grobe Aufschlüsselung der Einreichungen:

  • Wir erhielten insgesamt 275 einzelne Einsendungen von 155 Personen zu 49 separaten Patenten, und wir erhielten Mehrfacheinreichungen zu 26 Patenten.
  • 40,1 % der gesamten Einsendungen bezogen sich auf das ‘335er-Patent, das gegen Cloudflare geltend gemacht wurde.
  • Die zweithöchste Konzentration von Einsendungen zum Stand der Technik (14,9 % der Gesamtmenge) bezog sich auf PUB20140200078 mit dem Titel „Video Game Including User Determined Location Information“ („Videospiel einschließlich benutzerbestimmter Standortinformationen“). In den meisten dieser Einsendungen wird auf die Ähnlichkeit zwischen den Patentansprüchen und dem Niantic-Spiel Ingress hingewiesen.

Einige interessante Beispiele zum Stand der Technik, die unserer Ansicht nach die Blackbird-Patente besonders schlecht aussehen lassen:

  • Internetbasiertes Ressourcenabrufsystem (Nr. 8996546)
    Die ersten beiden Sätze dieses Patents aus dem Jahr 2004 fassen das Patent zusammen als „Ressourcenabrufsystem, bestehend aus einem Server mit einer durchsuchbaren Datenbank, in der Benutzer direkt nach Region auf Veröffentlichungen zugreifen können, ähnlich wie gedruckte Telefonverzeichnisse, aber nicht unbedingt darauf beschränkt. Das Ressourcenabrufsystem kommuniziert mit mindestens einem Benutzersystem, vorzugsweise über das Internet.“

    Die Projekt-Jengo-Community überprüfte die unglaublich breit gefassten Formulierungen in den Patentansprüchen und reichte einen Verweis auf ein Online-Telefonbuch ein, mit dem man lokale Ergebnisse aus einer Online-Datenbank von AT&T suchen konnte. Bei der Einreichung handelt es sich um einen Link zu einer archivierten Webseite aus dem Jahr 2000, die die Zulässigkeit des Blackbird-Patents anfechtbar macht.
  • Beleuchtete Produktverpackung (Nr. 7086751)
    Dieses Patent soll Verpackungen schützen, „die dazu bestimmt sind, ein Produkt zum Verkauf bereitzuhalten. Die Produktverpackung enthält eine oder mehrere darin angeordnete Lichtquellen, die so konfiguriert sind, dass Licht durch eine oder mehrere Öffnungen im Äußeren der Produktverpackung gelenkt wird, um die Kunden zum Kauf des Produkts anzuregen.“

    Dazu erhielten wir im Rahmen des Projekts Jengo eine besonders interessante Einreichung mit folgenden Informationen: Der Karton der CD-Verpackung für „Pulse“ von Pink Floyd enthielt eine blinkende LED, die aktiv und im Regal sichtbar war. Wir waren der Meinung, dass dies auch den Kern dieses breit angelegten und scheinbar offensichtlichen patentierten Produkts trifft.
  • Sport-BH (Nr. 7867058)
    Dieses Blackbird-Patent umfasst einen „Sport-BH mit integriertem Aufbewahrungsbeutel“.

    Die Projekt-Jengo-Community fand einen Beitrag in einem öffentlichen Diskussionsforum, der älter ist als das '058er-Patent und in dem die Idee vorgestellt wurde, einen BH durch einen Schnitt im Innenfutter und ein Klettband so zu verändern, dass eine wiederverschließbare Tasche im BH entsteht … also im Wesentlichen genau diese Erfindung.

Als Bonus – ein Ex-Parte-Sieg

Fast unmittelbar nach der Ankündigung des Projekts Jengo erhielten wir eine anonyme Spende von jemandem, der von Patenttrollen ebenso frustriert war wie wir. Wie mitgeteilt, konnten wir Jengo dank dieses Geschenks noch ausdehnen, denn wir konnten einige der Nachweise zum Stand der Technik zur Anfechtung anderer Blackbird-Patente im Rahmen von Verwaltungsverfahren nutzen.

Wir haben eine Verwaltungsklage gegen das Blackbird-Patent 7.797.448 („GPS-Internet-Verknüpfung“) eingeleitet. Das Patent beschreibt in breiten und allgemeinen Begriffen „ein integriertes System, bestehend aus dem Global Positioning System und dem Internet, wobei das integrierte System den genauen geografischen Standort beider kommunizierender Computerterminals, Sender und Empfänger, identifizieren kann.“ Man braucht keine besondere technische Fachkenntnis, um zu erkennen, wie offensichtlich und breit anwendbar ein solches Konzept wäre, denn bei vielen modernen Internetanwendungen wird versucht, über GPS eine Art Standortdienst zu integrieren. Dieses Patent in den Händen eines Patenttrolls war eine Gefahr.

Auf der Grundlage der Nachweise zum Stand der Technik, die wir von der Projekt-Jengo-Community bekamen, und der Häufigkeit der Fälle, in denen Blackbird das ‘448er-Patent zur Durchsetzung eines Vergleichs mit einem Startup herangezogen hatte, reichten wir beim US-Patentamt eine sogenannte Ex-parte-Überprüfung (EPR) des '448er-Patents ein. EPR ist ein Verwaltungsverfahren, mit dem man offensichtlich mangelhafte Patente anfechten kann. Es ist nicht so komplex, langwierig oder kostspielig wie ein Rechtsstreit vor einem Bundesgericht.

Wir haben unsere EPR-Anfechtung im November 2017 eingereicht. Blackbird reagierte auf das Ex-parte-Verfahren mit dem Versuch, die Patentansprüche zu ändern, um sie enger zu formulieren, damit das Patent leichter zu verteidigen wäre und die Anfechtung abgewendet werden konnte. Im März 2018 gab das US-Patentamt einen vorläufigen amtlichen Bescheid heraus, in dem es vorschlug, die Ansprüche des '448er-Patents ganz zurückzuweisen, weil durch das Projekt Jengo Nachweise zum vorher bekannten Stand der Technik eingereicht worden waren. Blackbird reagierte nicht auf den vorläufigen Amtsbescheid. Einige Monate später, im August 2018, erließ das US-Patentamt einen endgültigen Beschluss, der mit dem Amtsbescheid übereinstimmte und die Ansprüche des '448er-Patents aufhob. Die Entscheidung des US-Patentamts bedeutet, dass das Patent '448 ungültig ist und niemand die unglaublich weit gefassten Bedingungen des '448er-Patents erneut geltend machen kann.

Belohnung für die Crowd

Wie versprochen, verteilte Cloudflare Geldprämien von insgesamt mehr als 50.000 US-Dollar an 18 Personen, die im Rahmen der Crowdsourcing-Aktivitäten Nachweise zum Stand der Technik eingereicht hatten. Wir vergaben allein mehr als 25.000 US-Dollar an Personen, deren Einsendungen im Zusammenhang mit dem ‘335er-Patent und seiner Geltendmachung gegenüber Cloudflare standen. Zusätzlich vergaben wir mehr als 30.000 US-Dollar an Einreicher, mit deren Hilfe wir gegen die anderen Patente im Blackbird-Portfolio vorgehen konnten.

Im Allgemeinen ging es bei der Prämienvergabe darum, ob wir die von der Community gefundenen Nachweise in unsere Schriftsätze aufgenommen haben, um die Analyse der eingereichten Nachweise, um die Frage, ob jemand anderes den gleichen Nachweis schon vorher eingereicht hatte, und um die Stärke und Anzahl der Ansprüche, die durch die Nachweise beim jeweiligen Blackbird-Patent angefochten werden konnten.

Wir haben viele der Prämiengewinner gefragt, warum sie sich entschieden haben, Nachweise zum Stand der Technik beim Projekt Jengo einzureichen, und dazu u. a. folgende Antworten erhalten:


„Eine Reihe von Patentfällen in den letzten Jahren hat in mir Enttäuschung und Wut ausgelöst. Ich hatte das Gefühl, dass das Patentsystem von sogenannten ‚Patenttrollen‘ missbraucht wird, um Innovationen zu ersticken und von Rechtsstreitigkeiten zu profitieren. Was Projekt Jengo anbetrifft: Ich war wirklich begeistert von dem, was Cloudflare mit Universal SSL gemacht hatte. Als sich die Gelegenheit ergab, in einem echten Patenttroll-Fall etwas zu bewegen, habe ich gern mitgeholfen.“

– Adam, Sicherheitstechniker


„Ich habe das Patent '335 gelesen und es kam mir vor, als würde hier eigentlich nur ein grundlegendes Designprinzip des World Wide Web beschrieben, nämlich Proxyserver. Ich war mir ziemlich sicher, dass eine solche Software schon vor dem Stichtag des Patents (1998) weit verbreitet gewesen war. Nun war ich neugierig darauf, ob das stimmte, also habe ich ein wenig gegoogelt.“

– David, Softwareentwickler


„Ich persönlich glaube, dass die meisten Softwarepatente offensichtlich und trivial sind. Sie hätten niemals zugelassen werden dürfen. Gleichzeitig ist der Kampf gegen einen Patentanspruch kostspielig und zeitaufwendig, unabhängig davon, ob das Patent berechtigt ist oder nicht. Die Anmeldung des Patents ist dagegen vergleichsweise billig. Patenttrolle nutzen dieses Ungleichgewicht aus und ersticken damit jede Innovation. Das Projekt Jengo war eine großartige Gelegenheit, mein Wissen über frühere akademische Arbeiten für einen guten Zweck zu nutzen.“

– Kevin, Postdoktorand


„Ich bin ziemlich aufgeregt, ich habe noch nie im Leben etwas gewonnen. Und dann gleich im Kampf gegen böse Patenttrolle? Heute ist einer der besten Tage meines Lebens, ehrlich. Ich habe etwas eingereicht, weil Softwarepatente Müll sind und es dabei nur darum geht, bei produktiven Innovatoren Geld für vage und offensichtliche Patentansprüche zu erpressen. Außerdem war ich damals obdachlos und sowieso den ganzen Tag in der Bibliothek.“

– Garrett


Wie hat es sich ausgewirkt?

Der Sinn von Projekt Jengo bestand darin, die Anreizstrukturen für Patenttrolle zu kippen – Patenttrolle, die glauben, dass sie nur ein paar breit formulierte Patente einkaufen und etwas Geld für Prozesse ausgeben müssen und sich dann zurücklehnen und damit rechnen können, dass ein großer Anteil der Beklagten ihnen einen Scheck schicken wird. Wären die Anreizstrukturen ausgeglichen, dann müssten sie wenigstens gewisse Anstrengungen unternehmen, um zu beweisen, dass ihre Ansprüche berechtigt sind. Wir wollten Informationen zur Verfügung stellen, die andere potenzielle Beklagte nutzen können, um ebenfalls gegen Ansprüche im Rahmen von Blackbird-Patenten vorzugehen.

Man kann den Erfolg unseres Vorgehens sehr einfach daran messen, wie viele neue Klagen Blackbird seitdem mit seinem Patentportfolio erhebt. Diese Informationen sind öffentlich zugänglich. Wie sehen die Aktivitäten von Blackbird in diesem Punkt jetzt aus?

In den zwölf Monaten direkt vor Projekt Jengo (also 2. Quartal 2016 bis 2. Quartal 2017) reichte Blackbird mehr als 65 Klagen ein. Seit dem Start des Projekts Jengo vor mehr als zweieinhalb Jahren ist die Zahl der Klagen, die Blackbird erhoben hat, auf durchschnittlich 10 pro Jahr gesunken.

Blackbird reicht nicht nur weniger Klagen ein, die Organisation scheint auch mit weniger Ressourcen zu arbeiten als auf dem Höhepunkt dieser Aktivitäten. Als wir das Projekt Jengo im Mai 2017 ins Leben riefen, wurden auf der Blackbird-Website insgesamt 12 Teammitglieder genannt: sechs Anwälte, darunter zwei Mitgründer und vier Prozessanwälte, sowie eine 6-köpfige Patentanalysegruppe. Wenn man heute auf der Website und bei LinkedIn nachsieht, scheint es, dass nur noch drei Mitarbeiter übrig sind: ein Mitgründer, ein Prozessanwalt und ein Mitglied der Patentanalysegruppe.

Ethikbeschwerden (dieser Abschnitt stammt von Doug Kramer, Leiter der Cloudflare-Rechtsabteilung)

Wir reichten bei den Anwaltskammern in Massachusetts und Illinois sowie beim US-Patentamt Ethikbeschwerden gegen die beiden Blackbird-Mitgründer ein. Grundlage dieser Beschwerden war das von ihnen selbst beschriebene „neue Modell“ der Durchsetzung geistiger Eigentumsansprüche. Unsere Beschwerden beruhten auf dem beruflichen Verhaltenskodex für Anwälte, demzufolge kein Anwalt einen Klagegrund erwerben darf, um diesen in seinem eigenen Namen durchzusetzen. Außerdem gibt es Regeln, die es Anwälten verbieten, Erfolgshonorare mit einem Nicht-Anwalt zu teilen. Auf diese Regeln haben wir uns hilfsweise gestützt.

Wir haben diese Beschwerden nicht leichtfertig eingereicht, denn wir nehmen ethische Standards ernst und würden solche Verfahren nicht einfach nur einleiten, um jemanden zu belästigen. Aber in diesem Fall geht es um Patenttrolle, die in der öffentlichen Wahrnehmung als Anwälte angesehen werden, die auf das schnelle Geld aus sind und dazu rechtliche Winkelzüge nutzen. Dadurch wird der Ruf von Anwälten und der Respekt vor dem Anwaltsberuf geschädigt. Und das sind genau die Werte, die durch die Ethikregeln und Anwaltskammern geschützt werden sollen.

Wir stützten unsere Beschwerden auf die Übertragungsvereinbarung, die wir beim US-Patentamt vorfanden. Daraus ging hervor, dass Blackbird das ‘335er-Patent im Oktober 2016 für 1 US-Dollar von einem Erfinder erworben hatte. Es schien offensichtlich, dass die tatsächlich zwischen den Parteien ausgemachte, aber nicht offengelegte Entschädigung deutlich mehr als 1 Dollar betragen musste. Demnach hatte Blackbird möglicherweise einfach den Klagegrund erworben, oder es war eine Vereinbarung enthalten, wonach Blackbird die erzielten Gebühren mit dem Erfinder teilen würde. Solche Vereinbarungen sind nach den Ethikregeln generell verboten.

Blackbird verteidigte sich öffentlich damit, dass es (i) keine Anwaltskanzlei sei (obwohl es ausschließlich von Anwälten geführt wird, die sich aktiv an den von ihm betriebenen Prozessen beteiligen) und (ii) dass es keine Erfolgshonorarregelungen für die von ihm erworbenen Patente habe, sondern etwas „Ähnliches“. Beide Argumente waren für uns eher überraschend. Handelt es sich bei einer Organisation, deren Leitung und Mitarbeiterstab ausschließlich aus Anwälten bestehen, die Beschwerden abfassen, Schriftsätze bei Gerichten einreichen und vor Richtern streiten, nicht um eine „Anwaltskanzlei“? Tatsächlich fanden wir in anderen Blackbird-Fällen Schriftsätze vor, in denen die Blackbird-Firmenleitung beantragte, als Anwälte behandelt zu werden, damit sie Zugang zu sensiblen technischen Beweisen bekamen, die in solchen Fällen normalerweise nur für Anwälte zugänglich sind. Und was bedeutet es, dass eine Vereinbarung nur etwas „Ähnliches“ wie eine Erfolgshonorarvereinbarung ist?

Disziplinarverfahren vor Anwaltskammern sind im Allgemeinen vertraulich, sodass wir nur wenig Möglichkeiten haben, nach außen weiterzugeben, wie sie sich entwickeln. Aber unabhängig vom Ergebnis können wir sagen, dass wir uns nur in zwei Bundesstaaten an die Anwaltskammern gewandt haben. Beschlüsse vor solchen Gremien allein werden nicht reichen, um all dies wieder in richtige Bahnen zu lenken. Was wir brauchen, ist vielmehr eine ganz andere Ausrichtung dieser Berufsverbände im ganzen Land, damit solche Angelegenheiten nicht nur als politische Streitigkeiten oder Auseinandersetzungen zwischen aktiven Prozessbeteiligten betrachtet werden.

Mit unseren Fragen stoßen wir direkt zur Kernfrage der Ethik im Anwaltsberuf vor. Wir möchten damit herausfinden, wie man dafür sorgen kann, dass Anwälte, die einen Eid abgelegt haben, sich an Standards halten, die über bloße Gier oder gewöhnlichen Opportunismus hinausgehen. Es geht um die Frage, ob Anwalt nur ein Job ist oder ob es höhere Standards gibt, an die Anwälte sich halten sollten, damit das Monopol der Klageberechtigung bei Gericht (und alle Folgen und Kosten und die Macht, die dies mit sich bringt) nur von Menschen ausgeübt wird, denen man zutrauen kann, dies in verantwortungsvoller Weise zu tun. Wenn dem nicht so ist, welchen Sinn haben ethische Standards dann?

Das ist alles … fürs Erste

Wir haben von Anfang an gesagt, dass das Projekt Jengo eine Reaktion auf das Patenttrollverfahren war und dass wir es beenden würden, sobald der Fall abgeschlossen ist. Und das ist er jetzt. Wir sind stolz auf unsere Arbeit in dieser Sache. Nun müssen wir uns jedoch wieder auf die eigentliche Mission des Unternehmens konzentrieren: das Internet besser zu machen. Aber vielleicht kommen wir irgendwann wieder darauf zurück. Patenttrolle sind für Wachstumsfirmen wie Cloudflare nach wie vor ein Risiko, und die Erfahrungen, die wir hier gemacht haben, zeigen uns, dass ein Vergleich bei einem Patentstreit niemals die richtige Antwort ist. Wir haben nicht vor, Vergleiche zu schließen. Wenn wir irgendwann in der Zukunft wieder in ein solches Verfahren hineingezogen werden, dann haben wir jetzt unserer Ansicht nach eine gute Vorlage für unser Vorgehen.

Die auf Blackbird bezogenen Nachweise zum Stand der Technik werden hier weiterhin verfügbar sein, und wir sind gern bereit, Kollegen in anderen Unternehmen zu beraten, die mit diesen Problemen konfrontiert sind, so wie wir es in den letzten Jahren schon oft getan haben.

Abschließend möchten uns herzlich bei der Community bedanken, die das Blackbird-Patentportfolio durchforstet und uns beim Kampf gegen diesen Troll geholfen hat. Erst unser Zutrauen zu Ihnen allen hat uns überhaupt zum Projekt Jengo inspiriert. Es ist also auch Ihr Erfolg.

Vielen Dank!

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Alex Krivit|@ackriv
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